Inflation vor 100 Jahren – Teuerungsscheibe im Stadtmuseum gibt Auskunft darüber
Was Hyperinflation im täglichen Leben bedeutete, veranschaulicht die im Stadtmuseum Neumarkt i.d.OPf. in der Schausammlung gezeigte „Teuerungsscheibe“. Unter der Überschrift „Erinnerung an die furchtbare Teuerung im Jahr 1923“ lässt sich anhand von 28 Beispielen die Preisentwicklung von Lebensmitteln, Gebrauchsgütern und Dienstleistungen nachvollziehen. Es sind jeweils die Werte in Mark von Januar, Juni und Dezember angegeben, wobei im Dezember der Platz für die vielen Nullen im Betrag nicht mehr ausreichte, so dass hier gleich in Milliarden gerechnet werden muss. Ein Liter Bier zum Beispiel kostete im Januar noch 300 Mark, im Juni 1.800 Mark und im Dezember 520 Milliarden. Für einmal „Rasieren im Kabinett“ wurden Anfang des Jahres 150 Mark, im Juni 1.100 Mark und zum Jahresende 250 Milliarden fällig. Während beim Pfennig der Materialwert des Kupfers erst im Dezember mit 10 Milliarden zu Buche schlug, war eine Hochzeit allein schon wegen der goldenen Eheringe unerschwinglich. Musste man im Januar dafür noch 110.000 Mark berappen, so waren dies im Dezember 60.000.000.000.000 Mark. Verständlich, dass in diesen Monaten der damalige Neumarkter Bürgermeister und sein Kämmerer nichts anderes zu tun hatten, als den ganzen Tag das eigene Notgeld – die frisch gedruckten Millionen- und Milliardenscheine – zu unterschreiben. Eine bildliche Umsetzung der Not jener Zeit ist im Zentrum der Tafel dargestellt: Hinter einer verzweifelten Familie im Vordergrund reitet der Tod als dritter apokalyptischer Reiter auf einem Rappen vor unheilvoll rotschwarzem Hintergrund. Die Sense geschultert und die Waage als Symbol der Knappheit und Teuerung in der Hand, trägt er Versatzstücke einer französischen Uniform. Sicherlich ist darin ein Hinweis auf die 1923 - nach Verzögerung bei den deutschen Reparationsleistungen wegen des Ersten Weltkriegs - erfolgte Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen und der damit verbundenen katastrophalen Geldpolitik der deutschen Regierung zu sehen.
Die Währungsreform mit der Einführung der Rentenmark im November beendete schließlich die Hyperinflation und eine spürbare Erleichterung zeichnete sich bald ab. Die Teuerungsscheibe nennt ein exaktes Datum: „Erst der 6. Dezember brachte von Norden die Nachrichten, daß (sic!) Fett, Fleisch im Preis bis 30 % gesunken ist. Die Straßen wurden sehr belebt und alles atmete auf.“
So informativ die Teuerungsscheibe als „beredtes“ Zeitdokument auch sein mag, den Namen des Künstlers, der aus Tempera und Holz dieses Werk schuf, gibt sie leider nicht preis. Zu sehen ist die Teuerungsscheibe im Stadtmuseum Neumarkt in der Adolf-Kolping-Straße 4 während der Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag und am Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr.
Informationen zum Stadtmuseum unter www.stadtmuseum.neumarkt.de
Bild: Tempera auf Holz, vermutlich 1924
Stadtmuseum Neumarkt i.d.OPf.