Stadt gedenkt der Pogromnacht 1938
Die Stadt Neumarkt gedenkt auch in diesem Jahr der Geschehnisse in der so genannten Reichspogromnacht 1938 in Neumarkt, wie dies bereits seit vielen Jahren der Fall ist. Um daran und an die schrecklichen Geschehnisse danach zu erinnern, hat Oberbürgermeister Thomas Thumann heute, am 9. November, am Gedenkstein für das jüdische Leben in der Ringstraße eine Blumenschale niederlegen und eine Kerze aufstellen lassen. Der Stein war im Jahr 1995 von der Stadt in Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern errichtet worden.
„Auch in Neumarkt kam es in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zu schlimmen Ausschreitungen und Gewaltaktionen, bei denen alle Neumarkter Juden inhaftiert wurden und sogar zwei jüdische Mitbürger ums Leben kamen“, erinnerte das Stadtoberhaupt. „Die Synagoge wurde nach der Erstürmung sogar völlig verwüstet. Danach wurde sie für immer geschlossen.“ Die 1868 erbaute Synagoge stand an der Ecke Hallertorstraße/Hafnergasse im Zentrum Neumarkts. In der Nacht zum 10. November 1938 drangen SA- und NSDAP-Angehörige in die Synagoge ein und zertrümmerten wahllos die Einrichtung. Bis zu 100 Personen wüteten in der Synagoge. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wurden geschlagen und misshandelt. Am Gebäude der ehemaligen Synagoge an der Ecke Hallertorstraße/Hafnergasse ist eine Gedenktafel angebracht, die an die Pogromnacht am 09. November 1938 erinnert. „Auch der jüdische Friedhof an der Gießereistraße wurde in dieser Nacht geschändet und Grabsteine umgeworfen“, erinnert sich Oberbürgermeister Thumann. „Und danach durfte der jüdische Friedhof bis zum Ende des Krieges nicht mehr geöffnet werden.“ Die Reichspogromnacht gilt als Auftakt zur systematischen Verfolgung der Juden in Deutschland und später in ganz Europa, in deren Verlauf viele Millionen Juden in Konzentrationslagern, auf Transporten, durch medizinische und andere Experimente und auf andere Weise ermordet wurden.
Oberbürgermeister Thumann wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die Stadt Neumarkt bereits seit vielen Jahren mit ihrer Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt. So habe er in seiner Amtszeit den Auftrag für ein eigenes Buch zu diesem Thema gegeben, das 2010 unter dem Titel „Neumarkt im Nationalsozialismus 1933-1945“ von den Autoren Dr. Markus Urban und Kathrin Kasparek erstellt wurde. In dieser wissenschaftlichen Dokumentation widmet sich die Stadt erstmals umfassend ihrer Geschichte im Dritten Reich. Schon zuvor habe es verschiedene Aktivitäten der Stadt gegeben, etwa die Internationale Jugendbegegnung als Instrument zur Aussöhnung. Auch die Aktionen des Ostendorfer Gymnasiums zum Schicksal der Neumarkter Juden, insbesondere über die Jüdin Ilse Haas, mit dem daraus entstandenen preisgekrönten Musical „Der letzte Brief“ seien erwähnenswert. Daraus entstanden die Kontakte zu den Gebrüdern Haas und in Folge dessen dann die Einladung durch die Stadt zu deren Besuch in Neumarkt. Dabei erfolgte in einem großen Festakt die Namensgebung des Wegs durch den Stadtpark als Ilse-Haas-Weg.
Seit den 60er Jahren pflegt die Stadt gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Kriegsgräberstätte am Föhrenweg mit über 5.000 Toten als wichtiges Mahnmal für den Frieden. Im Stadtteil Wolfstein befindet sich zudem ein Friedenspark, in dem ein Friedenskreuz und ein Bronzemodell des Durchgangslagers an die Opfer der Kriegsgefangenen erinnern. Schon 2008/2009 hat die Stadt eine Ausstellung im Stadtmuseum zum Thema „Neumarkt in der NS-Diktatur. Eine Zwischenbilanz“ durchgeführt und eine weitere Ausstellung widmete sich diesem Thema unter dem Titel „Wider das Vergessen – Neumarkter Lebenswege 1919 bis 1945“. Bereits vor über 20 Jahren gab es eine Ausstellung zur Nachkriegszeit mit dem Titel „Aus Ruinen auferstanden“. In diesen Zusammenhang gehören auch die Arbeiten von Hans-Georg Hirn und die Verleihung des Kulturpreises an ihn, der sich maßgeblich und intensiv mit der jüdischen Geschichte in Neumarkt und der Region beschäftigt hat. Auch sein Werk „Jüdisches Leben in Neumarkt und Sulzbürg“ wurde von der Stadt gefördert. An vielen Stellen in der Stadt wurden inzwischen so genannte Stolpersteine verlegt, die an ermordete oder vertriebene jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnern. „Wir sehen in der Erinnerungskultur eine wichtige Aufgabe, auch damit sich solche schrecklichen Ereignisse nicht wiederholen“, so Neumarkts Oberbürgermeister Thumann. „Die aktuellen Geschehnisse in der Welt zeigen uns leider immer wieder sehr deutlich, wie wichtig diese Mahnung nach wie vor ist“.
Bild: Gedenken an Pogromnacht in Neumarkt
Foto: Gernot Meier / Stadt Neumarkt